Passagen |
Freitag, 15. Juni 2007
Die Verführung des Raums
ju
11:23h
Die Tanzperformerin Cornelia Huber schafft neue Räume und lässt deren Puls in getanzten Bildern sichtbar werden. Den Räumen, die Cornelia Huber für ihre Tanzstücke schafft, ist gemeinsam, dass sie wie eine eigene Persönlichkeit das Geschehen auf der Bühne mitbestimmen. Für ihre neueste Tanzperformance «Mehr Zeit zum Leben 1», einen Migros-Slogan für Convenience-Produkte zitierend, hat Huber den Raum 33 in eine Kunstinstallation verwandelt: ein Wohnzimmer mit Buffet, Sesseln, Tisch, Schränkchen an den Wänden, Bildern und Pflanzen und jeder Menge durchsichtige glitzernden PET-Gefässen. Im Hinterzimmer sichtbar ein Schlafraum mit weissen Möbeln, die sich beim zweiten Hinsehen als aufeinander gestapelte Styropor-Verpackungen entpuppen. Durch die mit Plastik bespannten Glasscheiben fällt milchig bläuliches Licht. Kein ganz gewöhnlicher Raum. Aus den Schränkchen quillt zusammengeknülltes Papier. Die Fotografien an den Wänden sind verblasst, die Fetzen alter Tapeten ebenfalls und in Kunstharz eingegossen findet sich eine Galerie von Zigarettenstummeln, irgendwo ein etwas zerfleddertes Ohrenstäbchen, eine künstliche Blume und sonst allerhand, was man an der Wand eines Wohnzimmers nie und nimmer vermuten würde. Die Raumsituation, die Cornelia Huber hier inszeniert hat, ist wunderschön, traumverloren und seltsam verrückt. Seine Erinnerungen scheint dieser Raum förmlich zu atmen. Dürre Zweige wachsen wie Geweihe aus durchsichtigen Plastikköpfen heraus. Holzstücke lehnen an der Wand. Sonstige trockene Pflanzen und Äste werden mit roter Farbe bemalt zu Korallen. Eine zartgrüne Himbeerranke streckt sich zur Decke.In einem Sessel sitzt einen Frau. Die Tänzerin Viviana Escalé Pelliza und verstrickt dicken, braunen Wollfaden, der ihr in einem Haufen zu Füssen liegt. Sie beginnt, die Wolle in ausladenden Bewegungen aufzurollen. Cornelia Huber bringt dieses Wolle-Aufrollen zum Klingen, indem sie von einem an der Decke hängenden Mikrofon mit Papier und Plastik Geräusche macht. Überhaupt klingt der Raum und scheinen die skurrilen Gegenstände darin zu sprechen. In ein Aquarium tropft von der Decke Wasser. Die Frau lauscht den Objekten im Raum, verstellt da etwas, platziert hier eine zerschnittene Petverpackung neu oder legt sich in einen knirschenden Haufen von zerschnittenen Petgefässen am Boden. Die getanzten Bewegungssequenzen sind poetische Momentaufnahmen einer Befindlichkeit, die in und mit diesem Raum entstehen. Eine Stimme spricht den inneren Monolog der auf dem Bett liegenden Frau, die sich an die Stimmung an einem Fest erinnert. Nach ihrer letzten Gruppenarbeit «Livingroom» sucht Cornelia Huber mit diesem Solo für eine Tänzerin nun wieder die kleinere Form und setzt damit bei ihrer 2004 im Theater Roxy gezeigten Carte Blanche «Raumspuren» an. Skurril versponnen und detailversessen zaubert sie richtiggehende Gesamtkunstwerke auf die Bühne, in denen Tanz, bildende Kunst und Text zusammenwachsen. Diese Arbeit ist eigen, neu, kraftvoll, zart und inspirierend. Sich von diesen Welten verführen zu lassen und sich in sie zu versenken, ist eine regelrechte Freude. Weitere Vorstellungen am 15., 16. und 17. Juni 2007 jeweils 20 Uhr im Raum 33 an der St. Alban Vorstadt 33 in Basel.
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