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Sonntag, 3. April 2005
Geschichtenvehikel

Die Reihe «IMPEX» eröffnet mit einer Aktion, bei der ein ausgedienter Gepäckwagen eingesetzt wird.

Performancereihe IMPEX

BASEL. Das Begriffspaar Import/Export wird in der Wirtschaft gemeinhin unter dem Kürzel «IMPEX» zusammengefasst. Die beiden Kuratorinnen Pascale Grau und Judith Huber widmen im Kaskadenkondensator, dem Projektraum für aktuelle Kunst und Performance, dem Thema unter diesem Titel ein ganzes Programm, das im Juni mit einem dreitägigen Performancemeeting abgeschlossen werden wird. Eruiert werden soll, was Performance mit den Begriffen Import und Export überhaupt zu tun haben könnte: Was verbindet die Begriffe Import und Export mit der Performance und welche Form von «Austausch» findet in Performances statt?
Die Reihe wurde von einem Projekt regelrecht in Fahrt gebracht, in dessen Zentrum ein alter französischer Gepäckwagen steht. Auf der Recherche für eine Ausstellung entdeckt der Performer San Keller das Vehikel im Sommer 2004 beim Bahnhof in Altkirch. Sofort beschliesst der Kunstschaffende, dem stillgelegten Gefährt eine bewegtere Zukunft zu verschaffen. Per Aufruf sucht er auf dem Februar-Blatt eines von ihm gestalteten Kalenders, das den alten Gepäckwagen abbildet, jemanden, der mit ihm und dem alten Gefährt nach Paris reist: «Est-ce que tu viens avec moi et ce vieux chariot à Paris?», wird gefragt. Gemeldet hat sich die Koreanerin Su Young Park, die als Künstlerin in der Schweiz arbeitet.
Das Projekt hat unterdessen einen Konzeptwechsel durchgemacht, die Reise hat nicht mehr Paris zum Ziel, sondern ein unbestimmtes Ende in mehr oder weniger weiter Ferne, je nach dem wohin das Trio bestellt wird, abhängig auch von der Machbarkeit der Tour. Das Angebot, das San Keller und Su Young Park dem Publikum machen, besteht nun darin, sich gegenseitig auf dem alten Gefährt schiebend, von einem Ort zum nächsten zu bewegen und dem Publikum am Ziel der Reise von ihren Erlebnissen zu berichten. Am 31. März startete das Projekt in einer ersten Aktion: San Keller und Su Young Park sind mit dem alten französischen Gepäckwagen auf Landstrassen vom elsässischen Altkirch ins 40 Kilometer weit entfernte Basel gereist. Die Reise geht schneller als erwartet vor sich und so können die beiden sich hin und wieder sogar Pausen gönnen. Schliesslich dürfen Sie nicht zu früh in Basel ankommen, denn dort erwarten die Gäste von «IMPEX» das Trio abends vor dem Kunstmuseum. Die letzte Strecke über die Wettsteinbrücke wird gemeinsam zurückgelegt.
Zum Reisen gehört die Erzählung über die Reiseerlebnisse: Im Kaskadenkondensator findet der zweite Teil der Performance statt. Die beiden Reisenden berichten unter der Moderation des Kunstvermittlers Adi Blum als Wortgast dem Publikum von den Eindrücken, Erfahrungen und Gefühlen unterwegs. Der Austausch, den diese Performance in Fluss gebracht hat, ist immaterieller und poetischer Natur: Als Vehikel, das in eigentlichem Sinne Erzählungen produziert, transportieren der Wagen und seine beiden Reisenden nunmehr Geschichten statt Pakete und Gepäckstücke. Das Reisen mit dem Wagen verlangsamt das Reisetempo auf Marschgeschwindigkeit, macht den Einsatz körperlicher Anstrengung nötig und damit die Mühen der Fortbewegung deutlich. Die nächste Destination des Trios ist noch offen. Anfragen aus Berlin, Biel und Twann liegen vor. Bis das nächste Reiseziel geklärt ist, ruht der alte französische Gepäckwagen im Kaskadenkondensator.

Die nächste Performance in der Reihe «IMPEX» findet am 28. April mit Kathrin Borer statt.

©Copyright 2005 by Jana Ulmann. All rights reserved.

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